Aequitas' Diarum: 20. Phex 1010 BF

Aus Die Sieben Gezeichneten
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Nachdem ich längere Zeit mit mir haderte, bin ich inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass es im Hinblick auf die Zukunft durchaus zielführend wäre, endlich wieder mit der Niederschrift meiner Erlebnisse im Rahmen des Diarum zu beginnen, welches ich in den letzten Jahren so sträflich vernachlässigt. Wenn mich die Leute in dreißig Jahren endlich mit dem mir zustehenden Respect, ehrerbietig „Eure Magnifizienz“ murmelnd, adloquieren, wenn ich dann in 100 Jahren reminiscierend an meinen langen Weg zu Macht und Wissen zurückdenke, an all die Zeit, die es brauchte, der Vernunft auf diesem Continent zu dem Stellenwert zu verhelfen der ihr zusteht, an all die Tempel, die umfunktioniert werden mussten und nunmehr einzig und alleine dem Zwecke dienen, den Kulturschaffenden Wesenheiten unserer Welt Wissen zu vermitteln und wenn mich dann schließlich in einem Jahrtausend das Bewusstsein überkommen mag, dass es gut sei, der Virus der Göttersklaverei endlich vom Antlitz Deres getilgt ist, wenn ich dann endlich wüsste, dass mein Werk beendet wäre und ich ruhen könnte, dann, fürwahr dann mag mich der Gedanke an meine Anfänge, das Wissen um den Weg, welcher bereits gegangen ward, mit neuer Kraft versorgen und mir unter Umständen gar ein Lächeln entlocken. Welch Ironie im Übrigen, dass ich diese Sätze nunmehr auf „geweihter Erde“, wie dieser Feqz-Jünger es wohl nennen würde, zu Papier bringe, hier, in einem Heiligtum der Rondra, umgeben von den dahinsiechenden Leibern meiner Gefährten... Sei es drum! Die Zeit drängt und um ehrlich zu sein bin ich, ohne irgendetwas herbeireden zu wollen, Unsicher ob des Verlaufs der nächsten Stunden , aber dies gehört nicht hierher.

Was war die Causa, die mich plötzlich wieder in der Riege der Autoliteraten führte? Jenseits all jener Perspectiven, die letztlich Realität zu werden doch, gerade hier und jetzt, nur eine vage Hoffnung ist, der ich selbst kaum mehr Möglichkeiten einräumte, im Angesicht der Ziele die ich mir gestellt hatte? Es war jener Moment vor Gareth gewesen, diesem stinkenden Moloch, der in den letzten 9 Jahren nicht schöner ward, seit ich damals C.G.E. begegnete. Was gäbe ich nicht darum, wieder mit ihm zu reden. Er war ein Meister seines Faches, was rede ich, er ist es selbstverständlich immer noch. Gerüchte sagen, er weile nun in diesem Dämonenpfuhl namens Brabak, andere meinen, Al’Anfa gewähre ihm Asyl. Wieso hatte er damals abgelehnt? Wäre er auf das großzügige Angebot Atherions eingegangen, er würde immer noch hochgeachtet sein. Und zwar in den Kreisen, die seine Fähigkeiten zu würdigen wüssten, außer Gefahr, sich mit fanatischen Praioten und inzestuösen Adelspack abgeben oder gar vor jenen für seine Quaestio rechtfertigen zu müssen. Trotzdem… Bei den Möglichkeiten, die er hatte, den Chancen, die sich ihm boten, wer weiß, ob nicht auch meine Wenigkeit auf Risiko gespielt hätte. Doch wer wagt, muss auch verlieren können. Doch, zu viel davon, ich ertappe mich schon wieder dabei, in der freien Associatio meiner Gedanken jeden Faden zu verfolgen, der mir spontan sinnig erscheint, ein durchaus angenehmer Zeitvertreib, der jedoch der Rechenschaftslegung meines zukünftigen Selbsts gegenüber nur wenig Charme entfalten wird und der Situation unangemessen scheint. Was war es denn jetzt also, was mich dazu trieb, die Feder erneut zum Papier zu führen? Wird es mir gelingen, wenigstens ein Mindestmaß an Stringenz zu wahren, diese Fabel niederzuschreiben?

Wie bereits erwähnt, wähnte ich mich in der „Reichshauptstadt“ Gareth. Ich hätte mir wahrlich schöneres vorstellen können, als den mir gestellten Auftrag zu erfüllen, denn gelinde gesagt, erschien er mir wie ein Alveranskommando, dessen Berechtigung sich mir nicht erschloss, hatte ich der Akademie gegenüber nicht immer gute Dienste geleistet? All die Jahre meine Forschung im Dienste der Wissenschaft, der Vernunft und der Welt im Allgemeinen mit unbarmherziger Härte vorangetrieben und zugleich den Pfründen der Al’Achami einen warmen Geldsegen entlockt? Und nun war ich hier, mit dem Befehl, der hiesigen „Reichsakademie“ ein weißes Auge abzuschwatzen, notfalls auch auf „creativem Pfade“. Meine diesbezügliche Prädestination war dabei nur schwer zu erklären und erschloss sich meiner selbst am aller wenigsten. Doch was half es, wenn Atherion befiehlt, springt Tenebraez nun mal, das war die gegenwärtige Machtverteilung und selbst Heshinja oder auch Hesinde, zu der sie hier beteten, könnte nicht sagen, wie lange es noch dauern würde, ihm diesen Posten streitig zu machen. Dem zum Trotze war da irgendetwas, was mich in Hochstimmung versetzte, ein Gefühl, wie es bisher nur selten gespürt hatte, doch das mich einer Erinnerung an die letzten Tage mit meiner Mutter gemahnte, als ich sie, ganz kleines Kind, fragte, warum sie unbedingt weg gen Maraskan müsse und nicht bei mir bleiben könnte. Ich war 6, allerhöchstens 7 und sie schwieg für einige Momente, bevor sie, mit diesem Glanz in den Augen, antwortete: „Kennst du das Gefühl, vor einer unmöglichen Aufgabe zu stehen? Dass die Chancen, dass alles scheitern mag, zu groß sind, als das man es überhaupt versuchen sollte? Eines Tages wirst du verstehen, dass in jenen Momenten zwischen dem Unmöglichen und dir nur eines steht: Deine Fähigkeiten, dein Wille weiter zu gehen, als es je jemand vor dir tat. Die Scheidewege deines Lebens: Weitermachen oder fliehen, wie ein Feigling, nicht würdig der arkanen Gabe, die du dein eigen nennst? Gewiss: Jedes Mal, wenn du einen Schritt nach vorne machst bleibt das Risiko zu weit gegangen zu sein, aber wie willst du jemals deine Grenzen finden, wenn du nicht weitergehst? Irgendwann wirst du an all die Herausforderungen zurückdenken, die dir einst unlösbar erschienen. Und dann lachst du.“, sie strich mir über das Haar und wir lachten beide.

Ich verstand in jenen Augenblicken nicht, was sie mir sagen wollte, doch die Sätze blieben in meinem Bewusstsein, als hätte sie ein Memorans in mein Hirn eingeprägt, um in diesem Moment in meinem Kopf widerzuhallen.

„Weitermachen oder fliehen? Welch lächerliche Frage.“, dachte ich noch als ich eine Träne wegblinzelte und die Stadt betrat.
Gute Güte, einerseits funktioniere ich meine Memoiren (im Wortsinne) zu einem schlechten personalen Episodenroman um, andererseits höre ich etwas: Leomar regt sich, es war wohl doch nicht die dümmste Idee von mir, ihn hier herunterzuschleifen, auch wenn seine Wunden nach wie vor schlimm aussehen. Man kann von diesem rondragefälligen Tölpel ja halten was man will, aber zäh ist er allemal. Gut, weiter beim (so es denn eintreten möge) nächsten Mal.


  16. Peraine 1010 BF